Morgen, am Tag des offenen Denkmals, werden die Architektur und die Geschichte ausgewählter Gebäude im Mittelpunkt des Interesses stehen. In 13 Orten des Kreises Eichsfeld öffnen 18 Objekte ihre Türen, darunter so bekannte wie die Martinskirche in Heiligenstadt und das Rentamt in Worbis. Zu den weniger bekannten Bauwerken, die zum Besuch einladen, dürfte die evangelische Kirche "St. Gertraudis" mit seinem Küsterhaus in Gerterode gehören. An Pracht und Größe eher bescheiden, sind es andere Werte, die den Weg zu dem Ort im östlichesten Zipfel des Kreises lohnen: Beispielhafter Gemeinschaftssinn sorgte dafür, dass ein Kleinod der Nachwelt erhalten blieb.
Unter einem Dach vereint finden sich in Gerterode (das als einziger Eichsfeldort zum Kirchspiel Sollstedt gehört) die kleine Fachwerkkirche und das Küsterhaus. Das Ensemble mitten im Dorf und idyllisch an einem leichten Hang gelegen, wird von zwei Dachreitertürmen gekrönt. Zusammen 1801 erbaut, war es vor allem das Küsterhaus, das späteren Generationen Sorgen bereiten sollte. Die Räume, die anfangs die Schule sowie die Wohnung des Küsters, später den Kindergarten, dann erneut Wohnungen beherbergte, standen ab 1994 leer. Zusehends setzte der Verfall ein und nahm dramatische Züge an. Balken waren so verfault, dass sich der südliche Giebel setzte. Um etwa 20 Zentimeter wurden die Grundmauern nach außen gedrückt. Der Abriss schien unvermeidlich. Oder konnte das Haus doch noch gerettet werden?
Intensiv beriet 1999 der Gemeindekirchenrat. Neben dem Abriss gab es zwei weitere Varianten: Verkleinerung des Hauses (was aber die Statik des Gesamtgebäudes gefährdet hätte) oder die komplette Sanierung. Die Entscheidung fiel: Das Küsterhaus als historischer Teil des Kirchbaus sollte erhalten bleiben und zur Begegnungsstätte der Kirchengemeinde werden. Dem Architekt gelang es, die Denkmalbehörden vom großen Vorhaben zu überzeugen. Das betraf aber nicht mehr allein das Küsterhaus.
Denn schon seit der Wende stand die Reparautr des gesamten Daches dringend auf der Tagesordnung. Verschiedene Sorten Ziegeln, nach Sturmschäden aufgebracht, erwiesen sich als löchrig. Regen wusch die Farbe im Inneren der Kirche ab, das erst in den 80er Jahren gestrichen worden war. "Die Farbe abblättern zu sehen tat weh", erinnert sich Bernd Hartung. Hartung ist einer der drei Ältesten, die Gerterode im Gemeindekirchenrat des Kirchspiels Sollstedt vertreten. Bei allen Bauarbeiten hielt er die Fäden in der Hand. Um alle Anträge und behördlichen Absprachen kümmerte sich Wolf-Dieter Leidel, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates, unterstützt von Roswitha Wedler, ebenso Älteste im Kirchenrat, und weiteren Helfern.
Kopfzerbrechen bereitete im 450-Seelen-Ort die Finanzierung des Vorhabens. "349.000 DM sollte alles kosten", weiß Hartung noch. Eifriges "Trommeln" half. Gelder kamen u.a. von Oberer und Unterer Denkmalbehörde, aus dem Lottomittelfonds, von der politischen Gemeinde Gerterode und der Kirchengemeinde. Die Gläubigen hatten beizeiten für eine Sanierung gesammelt. Für eine sehr hilfreiche Vergabe-ABM machte sich Erwin Hunold, Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft, stark. Um die fristgemäße Nutzung der Fördergelder zu sichern, griff das Kirchenspiel Sollstedt den Gerterödern unter die Arme. Tatsächlich billiger wurde am Ende die Sanierung, weil die Einwohner selbst mit Riesenfleiß anpackten.
"Bei den Arbeitseinsätzen wimmelte es nur so", begeistert sich noch heute Heidrun Bischoff. Die Gerteröderin, Mitglied im Kirchenchor und vis-a-vis der Kirche wohnend, hat in einem dicken Album den Bauablauf Schritt für Schritt festgehalten. Beeindruckt war sie vor allem von der "Gemeinschaft, die noch im Ort herrscht, ob religiös gebunden oder nicht". So hätten sich vor allem Vereine - Tennis-, Karneval-, Tauben-, Feuerwehr-, Sport- sowie Heimat- und Verkehrsverein - lobenswert beteiligt.
Im August 2000 begonnen, war nach sechs Monaten das umfangreiche Werk vollendet, waren (nach beträchtlicher Vorarbeit in Eigenleistung) das Küsterhaus entkernt, schadhafte Balken ausgewechselt, Ausfachungen erneuert worden und besaßen Kirche und Küsterhaus ein neues Dach, gekrönt von einer kunstvollen Wetterfahne. Zusätzlich hatte man den kleinen Turm verbrettern und Balken im Dachstuhl auswechseln müssen. Alles in allem ein gemeinschaftlicher Kraftakt, über dessen Gelingen alle Beteiligten noch heute staunen. Am 1. Mai 2001 wurde die Einweihung festlich begangen. "Ohne die Hilfe von vielen Seiten wäre das Werk nicht möglich gewesen", dankt Wolf-Dieter Leidel namens des Kirchspiels.
Kirche und Küsterhaus sind morgen zwischen 14 und 18 Uhr zu besichtigen. Die Kirchengemeinde freut sich auf zahlreiche Gäste.

Quelle: 08.09.2001, TLZ

   
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