Geschrieben von Eduard Ubbelohde, Pfarrer in Wülfingerode von 1928 bis 1936
Nach dem Tode des Pastor Beyers in Rehungen erhielt ich den Auftrag zur kirchlichen Betreuung der Gemeinde Gerterode, während die übrige Verwaltung der Kirchengemeinde Rehungen-Gerterode von Sollstedt aus geschah. Durch die einstige Zugehörigkeit zu Schwarzburg ist dieses der Lage nach zum Eichsfeld gehörige Dorf evangelisch geworden bzw. geblieben und dadurch in eine merkwürdige Vereinzelung geraten.
Entweder mußte ich über die Berge durch die Wälder wandern oder die Straße Bernterode-Gerterode um den Dachsberg herumfahren. Das Dorf liegt in einem Sack, der nach Osten und Süden durch die Dünberge völlig abgeschlossen wird.
Die Bevölkerung trägt noch die Merkmale der Eichsfeldbevölkerung an sich, ist aber ebenso durch die Arbeit im Ruhrgebiet geprägt, die die Männer dort seit vielen Jahren gefunden haben.
Hier fand ich noch bei der Konfirmationsfeier die uralte Sitte der Überreichung einer Apfelsine, in die Myrtenzweige mit einer weißen Schleife eingesteckt war, an den Pastor durch die Konfirmanden. Die Deutungen dieser Sitte sind verschieden, jedenfalls wußten die Konfirmanden und ihre Eltern keine Deutung. Die Frucht mußte vom Pastor nach dem feierlichen Einzug auf dem Altar niedergelegt werden, was die Bedeutung nahelegte, daß mit den Konfirmanden die Frucht der Gemeinde dem Herren geweiht wurde. Von besonderer Wichtigkeit waren in Gerterode merkwürdiger Weise die Beerdigungen. Während der Besuch der Sonntagsgottesdienste zunächst mäßig war, strömten bei Beerdigungen die Dorfbewohner zusammen. Da sich an die Friedhofsfeier regelmäßig eine Feier im Gotteshause anschloß, hatte ich fast immer die Gelegenheit, einen gut besuchten Gottesdienst zu halten.
Ferner erfreute mich die Anhänglichkeit der Konfirmanden, die mich am Waldesrand oberhalb des Dorfes erwarteten, wenn ich von Wülfingerode zur Konfirmandenstunde herüberkam und mich ebenso nach der Stunde wieder zum Waldrand begleiteten.
Der Weg zwischen Wülfingerode und Gerterode (ca. 45 Minuten) ist mir oft zu einer rechten Erquickung, zu einer inneren Sammlung in den Nöten jener Zeit geworden und gerne denke ich an das Bächlein zurück, das von Rehungen nach Wülfingerode herunterkommt und unter dem Steg, der die Wege nach Rehungen und nach Gerterode trennt, mich mit seiner zweifachen Stimme so oft erfreute. Psalm 110,7: "Er wird trinken vom Bach auf dem Wege, darum wird er das Haupt emporheben."
Quelle: Eichsfelder Kessel, 05/2002; Verfasser Marlies Jackl